Die Welt ist ein Dorf
Die Welt ist ein Dorf | Bild von winterseitler auf Pixabay

Die Welt ist ein Dorf

Die Welt ist ein Dorf. Aber wie lebe ich in der Stadt und auf dem Land richtig? Was machen diese Lebensräume aus?

Die Welt ist ein Dorf und auf dem Dorf kennt jeder jeden. Es gibt keine Clans wie in den Städten und keine Anonymität. „Die Welt ist ein Dorf“ sagt man sich meist dann, wenn man irgendwo auf der Welt Menschen trifft, die man von früher oder aus anderen Zusammenhängen her kennt, wie bspw. aus seinem eigenen Dorf. Die Erfahrung von Entfernung ist eine andere. Mit den Neuen Medien ist es nicht mal mehr notwendig, sich selbst vom Ort weg zu bewegen, um diesen Satz erleben zu können.

Die Welt wird im Kontext der Digitalisierung zum Dorf.

Städte und Dörfer

Die Stadt ist anders als das Dorf, das ein Begriff des Ländlichen ist, besonders durch die Zentralität von Wirtschaft, Kultur und Religion gekennzeichnet. Seit dem Mittelalter gibt es in Deutschland das Stadtrecht, das andere Rechte gegenüber dem Landrecht beinhaltet. Für die Stadt waren dies bspw. das Markt- und Zollrecht. Städte bis 5000 Einwohner werden heute als Landstadt klassifiziert.

Darüber hinaus gibt es die Kleinstadt, die Mittelstadt, die Großstadt und ab einer Million Einwohner die Millionenstadt. Städte können zudem zu bestimmten Sonderklassen gehören, wie zu den Haupt- oder Weltstädten. Eine interessante Form bilden auch die sogenannten Stadtstaaten. Es ist bemerkenswert, warum in unserer Zeit der Spruch „Die Welt ist ein Dorf“ lautet und nicht, was treffender erscheint, „Die Welt ist eine Stadt“. Warum entstanden Städte und welche Bedeutung hatten sie für die Menschen?

Jäger und Sammler

Die frühen Menschen verstanden es sehr schnell, dass sie gemeinsam erfolgreicher auf die Jagd gehen konnten. Sie schlossen sich daher in kleinere Gemeinschaften zusammen. Als der Ackerbau entstand und die Zeit der Jäger und Sammler vorbei war, bildeten sich Siedlungen, die sich zu den ersten Dörfern entwickelten. Die Erträge aus der Landwirtschaft wuchsen.

Landwirtschaftliche Überproduktionen schafften zum einen Freiräume für die Erforschung der menschlichen Sinnhorizonte, was die Entwicklung von Kultur und Religion voranbrachte, und entließ zum anderen viele Menschen aus der Landwirtschaft, sodass sie sich handwerklichen oder geistigen Arbeiten zuwenden mussten. Eine Konzentration vieler Menschen an einem Ort hatte schließlich Vorteile, die Wirtschaft voranzubringen. Die Stadt ist schließlich die Bezeichnung dieser Ansammlungen hoher Bevölkerungszahlen und stellt sich gegenüber dem Gehöft oder dem Dorf, die auf Landwirtschaft ausgerichtet ist.

Die Frage nach dem guten Leben

Die Frage Wie überlebe ich? konnte mit in einer Gemeinschaft oder in einem Dorf beantwortet werden. Die gewonnenen Freiheiten schafften Platz für die Erweiterung der Frage nach Wie (über-)lebe ich richtig?, was den moralischen Horizont aufschloss und das Leben in Gemeinschaft in den Blick nahm. Die Gemeinschaft bestand somit aus dem Ort (Locus) und der Zeit (Tempus). Die Zeit rückte nämlich ins Bewusstsein. Felder mussten zur rechten Zeit bestellt werden.

Die Jäger und Sammler wurden noch nach Bedarf aktiv. Die Zeit ließ auch die Endlichkeit erkennen, was wiederum das religiöse Bewusstsein provozierte. Um diesem Problem nachzugehen entstanden Tätigkeitsfelder, die von religiösen „Bauern“ bestellt werden mussten. Philosophien, Kulturen und Religionen entwickelten sich und formten aus der Gemeinschaft eine Gesellschaft.

Die Gesellschaft stand also nun unter der moralischen Frage Wie leben ich richtig? Die Gesellschaft war bereits eine kommunikative Form des Zusammenlebens und war nicht mehr nur an Ort und Zeit gebunden wie das Dorf, sondern an seine Erzählungen, Worte und Reden. Es etablierten sich zwei Redeweisen, der Mythos und der Logos. Der Logos war die Rede vom Leben in Form der Wissenschaft von heute. Erkenntnisse in der Logos-Rede folgten bestimmten Regeln, wie bspw. der Evaluation und des Beweisens.

Sinnfragen in der Gesellschaft

Der Mythos hingegen konnte als Rede vom Leben auch Ängste, Sorgen und Sinnfragen in einen höheren Gesamtzusammenhang heben und ihn dennoch plausibel wiedergeben. Mein Lieblingswesen der Mythologie ist der Drache, da er als Lebewesen die Zerstörung und Kraft der ganzen Natur und meine Angst vor der Vernichtung, der Endlichkeit in sich vereint. In der Gesellschaft standen Mythos und Logos als ebenbürtige und nicht widersprüchliche Redeweisen gegenüber. Sie sprachen zusammen dem Menschen eine Seele zu, die in seinem menschlichen Körper beheimatet war. Mit der Aufklärung erhielt die Logos-Rede den Vorzug vor der Mythos-Rede, was sich auch auf die Seele des Menschen auswirkte.

Die Erkenntnisse aus der Logos-Rede verlangten die Entstehung einer Öffentlichkeit als weiterentwickelte Form der Gesellschaft. Die wissenschaftlichen Ergebnisse mussten publiziert, an die Öffentlichkeit gebracht werden. Mit dem Verlust der Bedeutung des Mythos in der Öffentlichkeit ging auch das angstbindende Wesen, wie der Drache, verloren, was nun die Angst im Menschen konzentrieren musste und die Psyche hervorhob.

Die Psyche wird als der Ort interpretiert, an dem sich alle Merkmale einer Person sammeln und zusammen den Geist ausmachen. Allerdings ist dabei nicht wie die wörtliche Übersetzung von Psyche aus dem Altgriechischen anmuten lässt, die Seele als Ganzes gemeint, die darüber hinaus auch die transzendentalen Merkmale des Menschen mit einschließt. Wir betrachten daher den Menschen als Wesen aus Körper, Geist und Seele. Die Schnittmenge von Körper (Physis) und Geist wird als Psychosomatik bezeichnet.

Psyche und Seele

Die ursprüngliche, wörtliche Bedeutung von Psyche, die Seele, ergibt sich aus dem Geist, der heutigen Psyche, und den transzendentalen, religiösen oder spirituellen Eigenschaften. Die Öffentlichkeit steht für mich zwischen den Begriffen von Sinn (Sententia oder Apophthegma, hier bin ich mir mit den Begriffen noch unsicher, allerdings eröffnet mir der zweite Begriff möglicherweise einen interessanten Zugang zum Bereich des Humors und der Ironie) und der Psyche.

Die Psyche wird in der Öffentlichkeit nicht als Seele begriffen, sondern als die kollektive Seite gegenüber der individuellen Verantwortung im Bezug zur Sinnentfaltung. Die Stadt in Opposition zum Dorf könnte so schnell zur Arroganz werden. In der Stadt muss man sich einen Namen machen, im Dorf bleibt der Name. Der Name ist an die Familie geknüpft, zu der man gehört. In der Stadt wird die Familie, der Platz im Leben erkämpft.

Es geht hierbei nicht um die Frage, wer welche ehrhaften Arbeiten macht oder wer weiter bzw. höher entwickelt ist. Mich beschäftigt vielmehr die Frage danach, ob die Psyche nach heutigem Verständnis, als ein urbanes Anliegen gekennzeichnet werden kann. Urban bedeutet für mich im Kontext meiner Frage nicht ausschließlich städtisch, sondern urban im Sinne von Menschen, die in einer Symbiose oder im Nebeneinander von Stadt und Dorf leben.

Stadt-Dorf-Beziehung

Die Beziehung von Städtler und Dörfler war erst ausschließlich durch ihre wirtschaftliche Versorgung mit Nahrungsmitteln gekennzeichnet. Im 20. Jahrhundert wurde mit Zunahme der Medialisierung auch das Dorf vom Glanz der Stadt ergriffen. Für das 21. Jahrhundert wird mit den Neuen Medien diese Beziehung wiederum anders herausgefordert, was sich ja auch gerade wieder in den aktuellen Diskussionen rund um die Regierungsbildungsmaßnahmen, Stichwort Digitalisierung, abzeichnet.

Das Leben war bis vor kurzem noch davon geprägt, dass es endlich war und in diesem Bewusstsein sinnvoll oder moralisch richtig gelebt werden musste. Auf dem Dorf ist der Tod, der immer das Sterben einer Person, die einen Namen trägt, bedeutet, nicht auf den Tod des Namens aus. Im Dorf stirbt man anders, der Hof behält seinen Namen. In der Stadt ist der Tod einer Person der Tod des Namens, den man sich gemacht hat. Es bleibt kein Hof zurück, der einen Namen trägt. Es bleibt ein Vermächtnis, eine urbane Variante des Hofes. Die Neuen Medien bringen eine andere Form des urbanen Einflusses in das Dorf als in die Stadt. Zentrale Frage des Lebens mit der Öffentlichkeit ist daher die Frage Wie kann ich öffentlich sein?

Die Welt ist ein Dorf

„Die Welt ist ein Dorf“ bedeutet zum einen die Sehnsucht nach der Einzigartigkeit des Seins und zum anderen die Rückbesinnung auf das dörfliche Leben, das wie ein paradiesischer Ort unberührt von den Medien zum neuen Mythos fungiert, der eine alternative Heimat anstatt eines radikalen Rückzugs aus den urbanen Verhaltensmustern darstellt.

Literatur

Stadt (17.02.2018, 15:45 Uhr)

Stadtrecht (06.12.2017, 16:29 Uhr)

Psyche (02.02.2018, 20:02 Uhr)

Cookie Consent mit Real Cookie Banner